1 moś-Frau und por-Frau. 2 Füchsin und Häsin leben. 3 Ein Tag brach an, sie begannen einen Abhang [zum Schlittenfahren] herzurichten. 4 Am anderen Tage gingen sie zu ihrem Abhang, um Schlitten zu fahren. 5 Die Füchsin fährt immer zuerst. 6 Zwei-dreimal fuhr sie zuerst, [dann] spricht sie zur Häsin: "Fahr du auch zuerst!" 7 Die Häsin sagt: "Ich fahre nicht zuerst." 8 Die Häsin sagt [weiter]: "Gestern bist du doch zuerst gefahren; was ist heute mit dir los?" 9 Sie gerieten in Streit. 10 Die eine sagt: "Du fahr zuerst!", die andere sagt: "Du fahr zuerst!" 11 Obgleich die Häsin traurig, betrübt dastand, fuhr sie [schliesslich] zuerst los. 12 Sie kam nicht bis zur Mitte des Abhangs, [da] wurde sie von der Füchsin überfahren. 13 Ihr Rückgrat zerbrach. 14 Die beiden Kinder der Häsin warteten so auf ihre Mutter, warteten so - sie [kommt] gar nicht! 15 Sie krochen zum Schornstein [des Hauses] der Füchsin hinauf, sehen durch den Schornstein hinunter. 16 (Der Kessel kocht.) 17 Man hört, wie die Kinder der Füchsin sich drängeln: "Gib mir dieses Augenfett, gib mir dieses Augenfett!" 18 Man hört die Mutter zu ihren Kindern [sprechen] : "Fresst ihr das Augenfett ihrer beiden Kinder!" 19 Sie [die Kinder der Häsin] kletterten vom Schornstein herunter, gingen weinend, heulend nach Hause. 20 Die ältere Schwester spricht zu ihrem jüngeren Bruder: "Fliehen wir nur schnell!" 21 Sie nahmen einen Kamm, nahmen einen Wetzstein, nahmen einen Feuerstein. 22 Lange gingen sie, kurz gingen sie, die Füchsin wurde sichtbar. 23 Die Schwester blickte zurück: beinahe werden sie [von der Füchsin] gepackt, fast werden sie gepackt! 24 Die Schwester warf den Kamm. 25 Wenn unser Lied, unser Märchen weiter geht, [so] soll ein so dichtbäumiger Wald wachsen, dass die Nase nicht durchdringt, dass das Auge nicht durchdringt! 26 Sie blicken zurück - nichts zu sehen. 27 Die Schwester sagt zum Bruder: "Sie ist sicher [dort] geblieben!" 28 Sie blickten wieder zurück, man sieht, dass die Füchsin kommt. 29 Ihre zerrissenen Haare flattern nur so im Winde. 30 Beinahe werden sie [von der Füchsin] gepackt, fast werden sie gepackt. 31 Die Schwester warf den Wetzstein. 32 Wenn unser Lied, unser Märchen weitergeht, [so] soll ein so grösser Berg entstehen, bis zum Firmament soll er reichen, bis zum Himmel soll er reichen! 33 Sie blicken zurück - nichts zu sehen. 34 Die Schwester sagt zum Bruder: "Sie ist sicher [dort] geblieben!" 35 Garnicht lange dauerte es, [die Füchsin] wurde wieder sichtbar; ihre Zunge liess sie bis zum Zungenband heraushängen. 36 Beinahe werden sie [von der Füchsin] gepackt, fast werden sie gepackt. 37 Die Schwester warf den übrig gebliebenen Feuerstein. 38 Wenn unser Lied, unser Märchen weitergeht, [so] soll ein so grosses Feuer entstehen, bis zum Himmel soll es reichen, bis zum Firmament soll es reichen! 39 Sie blicken zurück - von der Füchsin ist nichts zu sehen. 40 Die Schwester sagt zum Bruder: "Nun ist sie sicher [dort] geblieben!" 41 Die Schwester nahm den Bruder von ihrer Schulter herunter, sie begannen Moltbeeren zu essen. 42 Lange assen sie oder kurz assen sie, wer hat es gesehen? 43 Der Bruder begann zu schreien: "Schwester, meine Füsslein sind in die Erde versunken!" 44 Die Schwester isst immer weiter Moltbeeren. 45 Nicht lange, [so] begann der Bruder wieder zu schreien: "Schwester, Schwester, ich bin bis zu den Weichen [in die Erde] gekommen!" 46 Die Schwester isst wie ein nichts wissender Mensch immer weiter Moltbeeren. 47 Nicht lange, [so] begann der Bruder wieder zu schreien: "Schwester, Schwester, ich bin bis zum Ende des Halses [in die Erde] gekommen, zieh mich heraus!" 48 Die Schwester blickte dorthin: wirklich war er bis zum Ende des Halses [in die Erde] gekommen! 49 Obgleich sie dorthin eilte, verschwand der Bruder in der Erde. 50 Weinend, heulend geht sie nun, wohin der Kopf hält (,geht sie nun), wohin das Auge blickt. 51 Während sie [so] ging, schlug sie mit der Faust auf einen verfaulten Birkenstamm. 52 Eine por-Frau sprang von dort heraus. 53 Gevatterin, Gevatterin! Warum hast du mein Haus zerschlagen? 54 Sie schlossen sich zusammen. 55 Lange gingen sie, kurz gingen sie, wer hat es gesehen? 56 Sie kamen an einen See. 57 Die por-Frau sagt zu der moś-Frau: "Gevatterin, Gevatterin, baden wir!" 58 Die moś-Frau sagt: "Ich habe keine Lust!" 59 - "Was, was hast du keine Lust! Zieh dich aus!" 60 Die por-Frau zog sich aus, sprang ins Wasser. 61 Die moś-Frau stand zwar traurig, betrübt da, schliesslich begann sie sich auch auszuziehen. 62 Kaum war sie ins Wasser gegangen, [so] sprang die por-Frau ans Ufer [und] zog die Zobelkleider, Pelzkleider der moś-Frau an. 63 Die moś-Frau stieg ans Ufer: "Warum hast du meine Kleider angezogen?" 64 Die por-Frau warf der moś-Frau ihre rindigen Kleider hin. 65 Die moś-Frau sagt: "Bring mir meine Kleider hierher!" 66 Die por-Frau sagt: "Zieh diese Kleider da an, [deine] gebe ich nicht." 67 Die moś-Frau sagt: "Wenn du sie durchaus nicht gibst - an dem Pelzverschluss hängt ein kleines Säckchen angebunden, gib das hierher!" 68 - "Gevatterin, Gevatterin, was mach ich mit deinem Säckchen? Da nimm es!" 69 Nachdem die moś-Frau ihr Säckchen genommen hatte, kleidete sie sich in ebensolche Zobelkleider, Pelzkleider. 70 Lange gingen sie, kurz gingen sie, wer hat es gesehen? 71 Die por-Frau sagt zu der moś-Frau: "Wir gehen nun, gehen, kommen zu einer Stadt. Der Sohn des Stadt-Dorf-Alten (und) der Sohn des tonton-Alten schiessen draussen Pfeile." 72 Die por-Frau sagt [weiter] zu der moś-Frau: "Du nimm dann den Pfeil des Sohnes des tonton-Alten, ich nehme den Pfeil des Sohnes des Stadt-Dorf-Alten." 73 Sie gingen nun, gingen nun, wirklich kamen sie zu einer Stadt. 74 Die beiden Söhne des tonton-Alten [und] des Stadt-Dorf-Alten schiessen draussen Pfeile. 75 Obgleich die por-Frau den Pfeil des Sohnes des Stadt-Dorf-Alten aufheben wollte, wurde sie von der moś-Frau zur Seite gestossen. 76 Den Pfeil des Sohnes des Stadt-Dorf-Alten nahm die moś-Frau; den Pfeil des Sohnes des tonton-Alten nahm die por-Frau. 77 Die moś-Frau ging zu der Haustür des Stadt-Dorf-Alten. 78 Sie hört, wie der Stadt-Dorf-Alte drinnen zu seinen Töchtern spricht: "Geht, führt eure Schwägerin herein!" 79 Die moś-Frau wurde an beiden Händen gepackt [und] ins Haus geführt. 80 Lange lebten sie, kurz lebten sie; der tonton-Alte kam in das Haus des Stadt-Dorf-Alten und spricht: "Morgen muss man die Stadt umwickeln!" 81 Es wurde morgen, die por-Frau hatte ein Binsenseil geflochten, es reichte nur für eine Hälfte der Stadt. 82 Die moś-Frau hatte ein solches Seil geflochten, es reichte, die Stadt zwei-, dreimal zu umwinden. 83 Lange lebten sie, kurz lebten sie, die moś-Frau bekam einen Sohn. 84 Die moś-Frau spricht zu ihrem Schwiegervater: "Als ich damals hierher kam, wurde mein jüngerer Bruder in die Erde hinunter gezogen; ich gehe diese Stelle (Grube) anzusehen." 85 Der nächste Tag brach an, der Schwiegervater spannte ihr drei kesselrussfarbige Rentierochsen an. 86 Der por-Frau spannte ihr Schwiegervater drei Barben(fische) an; sie streben, sie ins Eisloch hineinzuziehen. 87 Lange fuhren sie, kurz fuhren sie, die por-Frau sagt: "Ich bin nun an mein Ziel gekommen." 88 Sie ging in ihren alten verfaulten Birkenstamm hinein. 89 Die moś-Frau fuhr lange, fuhr kurz, sie kam zu der Stelle, wo ihr Bruder in die Erde versunken war. 90 Ein solches Haus steht da, es glänzt nur so, es leuchtet nur so! 91 An der Tür knurrt [und] murrt ein Hund. 92 Drinnen hört man eine Frau: "Wenn es ein mir willkommener Mensch [ist], [so] lecke ihm die Schneeklumpen [und] die Eisstücke ab, stosse ihn herein! Wenn es ein mir nicht willkommener Mensch [ist], [so] zerreiss ihn in [Stücke wie] Sandkörner, Kieskörner!" 93 Der Hund leckte der moś-Frau die Schneeklumpen [und] die Eisstücke ab [und] stiess sie ins Haus hinein. 94 Drinnen sitzt eine Frau nähend da. 95 Diese Frau fragt sie: "Woher [ist] der Gast (die Gast-Frau) gekommen?" 96 Die moś-Frau sagt: "Als ich vormals hier vorbei kam, wurde mein Bruder in die Erde herunter gezogen." 97 Die Frau sagt: "Wenn du einen Bruder hattest - dies [ist] das Haus deines Bruders." 98 Nicht lange dauerte es, man hört, dass draussen ein Mann gekommen ist. 99 Nicht lange dauerte es, [da] stürzte ein Bär herein! 100 Zwei-, dreimal sprang er im Haus herum, [dann] zog er sein Fell aus. 101 Der Bruder umarmte den Hals seiner Schwester, weiss nicht [vor Freude, wie sie zusammenkamen]; die Schwester umarmte den Hals ihres Bruders, weiss nicht [vor Freude, wie sie zusammenkamen]. 102 Sie küssten sich, umarmten sich. 103 Der Sohn der moś-Frau - wuchs der Liedermann, der Märchenmann etwa lange? - kam ins Laufalter. 104 Sein Onkel machte ihm einen solchen Pfeil: hierhin schiesst er ihn - er klingelt, dorthin schiesst er ihn - er klingelt! 105 Lange lebten sie, kurz lebten sie, die moś-Frau sagt zu ihrem Bruder: "Wir (ich und mein Sohn) - wir haben auch eine Heimat!" 106 - Der nächste Tag brach an, der Bruder spannte der moś-Frau drei frühjahrsschneefarbige Rentier ochsen an (,ihre) Rücken [sind] wie Stangen [,so fett sind sie]. 107 Er spricht zu seiner Schwester: "Blick nicht zurück, bis dieses Haus verschwunden ist!" 108 Die moś-Frau fuhr nun, fuhr nun; sie erwägt: das Haus ist verschwunden. 109 Sie blickte zurück: eine [riesige] Rentier-Herde, deren Anfang nicht sichtbar ist, deren Ende nicht sichtbar ist, kommt hinter ihr her! 110 Sie gelangte zu der damaligen Stelle, die por-Frau sprang heraus; ihre älteren Brüder [hatten] ihr drei Barben angespannt. 111 Sie kamen zu der Stadt. 112 Der tonton-Alte und der Stadt-Dorf-Alte streiten draussen. 113 Der tonton-Alte sagt: "Zuerst kommt meine Schwiegertochter, sie biegt auf meinen Weg ab"; der Stadt-Dorf-Alte sagt: "Zuerst kommt meine. Schwiegertochter, sie biegt auf meinen Weg ab." 114 Sie gelangten zu ihrer Weggabelung; die moś-Frau kam (stellte sich) zu der Haustür des Stadt-Dorf-Alten, die por-Frau kam zu der Haustür des tonton-Alten. 115 So leben sie nun in Glück [und] in Wohlstand.